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Buchlayout-Blog

Das Problem mit der ach so steifen Bindung!

Das Taschenbuch unten bleibt von selber aufgeschlagen, das obere nicht

Vergleichen Sie mal: Das Taschenbuch unten bleibt von selber aufgeschlagen, das obere nicht

Die On-Demand-Druckdienstleister liefern inzwischen sehr ordentliche Qualität! Was ich da seit einer Weile von Anbietern wie Books on Demand, von Flyeralarm, von „Wir machen Druck“ und anderen sehe, überzeugt mich. (CreateSpace überzeugt mich nicht ganz so, zumindest von der Druckqualität her.)

Vom Druck her ist Digitaldruck nicht mehr vom klassischen Offsetdruck zu unterscheiden. Auch beim Papier hat man längst die Wahl zwischen verschiedenen Papiersorten und Oberflächen; Werkdruckpapier, reinweißes Papier, gestrichenes, ungestriches … Wenn da nur nicht die eine Sache wäre, die bei Büchern von Selfpublishern oft zu wünschen übrig lässt … die Qualität der Bindung.

Schauen Sie mal in die Abbildung. Das Taschenbuch unten („Crashkurs Typo und Layout“ vom Verlag rororo) bleibt aufgeschlagen auf dem Tisch liegen. Der Layouter konnte die ganze Doppelseite nutzen bis hinein in den Innenrand. Die Bindung ist hochwertig, weich und geschmeidig.

Das Buch darüber wirkt wie ein typisches „On-Demand-Printbuch“ – mit extrem steifer Klebebindung. (Klebebindung muss nicht extrem steif sein) Hätte ich nicht meinen Amazon Kindle oben aufgelegt, das Buch wäre von alleine wieder zugeklappt. Der Satz an sich ist ausgezeichnet, der im Bild gezeigte Schönheitsfehler wertet jedoch die gesamte Arbeit ab!

Die Layouterin hat diese extrem steife Bindung nicht beachtet und einen viel zu kleinen Innenrand alias Bundsteg gelassen. Man muss das Buch  stark aufbiegen, um alles lesen zu können.

Mir ist das auch schon passiert – genau einmal vor mehr als zehn Jahren. Ich habe mich wahnsinnig darüber geärgert!

Seitdem frage ich bei meinen Auftraggebern bei jedem Mal genau nach:

  1. Welchen Dienstleister verwenden Sie?
  2. Was wissen Sie über die Bindung?

Natürlich weiß nicht jeder, was diese oder jene Bindungsvariante bei diesem oder jenen Dienstleister in der Praxis bedeutet. Deshalb empfehle ich stets, ein Probeexemplar zu bestellen. Und das ist auch gut so. Bei meinem letzten Projekt musste ich daraufhin sogar den eigentlich schon sehr groß gewählten Innenrand von 2,1 cm auf 2,4 cm vergrößern! (Es war übrigens bei CreateSpace, wen wundert es!)

Und bei meinem Hausverlag konnte ich unlängst den Innenrand verkleinern, als wir auf einen „weniger steif bindenden“ Dienstleister umgestiegen sind. Wen es interessiert: „Wir machen Druck“. Die scheinen es flexibler hinzubekommen!


Sie meinen, bei einer hochwertigeren, teureren Buchausstattung besteht das Problem nicht? Schön wär’s! Auch bei der Ausstattungsvariante Hardcover mit Fadenheftung neigen viele On-Demand-Dienstleister oft zu wesentlich „steiferen“ Ergebnissen als die Dienstleister, mit denen Verlage zusammenarbeiten.

Hier sehe ich einen echten Bedarf! Kennt jemand einen Dienstleister, der eine weiche, geschmeidige Bindung hinbekommt?

  1. Andreas Schmidt

    Lieber Johann,
    die Steifigkiet der Bindung hängt vor allem vom verwendeten Rückenleim ab. Relativ steife Bindungen entstehen beim Einsatz von Hotmelts (PVA oder PUR). Das sind Schmelzkleber die bei Temparaturen > 100° verarbeitet werden, relativ schnell aushärten und in der Produktionslinie schnittfest werden. Diese Leime werden vor allem in der Katalog- und Magazinproduktion eingesetzt, da Sie hohe Produktionsgeschwindigkeiten und damit günstige Stückkosten ermöglichen. Um einen flexiblen Rücken mit guter Lay-Flat Eigenschaft zu erhalten ist eine Bindung mit Dispersionsleim/Kaltleim erforderlich. Diese Technik wird in industriellem Maßstab bei den großen Verlagsbindereien eingesetzt und erfordert verglrichsweise hohe Investitionen in eine Infrarottrocknung. Bei freien Druckweiterverarbeitungsdienstleistern und kleineren Auflagen ist die Verarbeitung von Dispersionsleimen aufgrund des geringeren Automatisierungsgrades im Vergleich zu Hotmelt-Bindungen i.d.R. mit deutlich höheren Stückkosten verbunden. Die guten Bindeergebnisse von „Wir machen Druck“ haben einen gewissen Zufallscharakter, da bei diesem Dienstleister keine eigenen Druck- und Verarbeitungskapazitäten vorhanden sind, sondern die freien Kapazitäten einer beachtlichen Zahl von Vertragsdruckereien genutzt werden, die aber jeweils sehr unterschiedliche technische Möglichkeiten haben.

    freundliche Grüße

    Andreas Schmidt

    • Buchlayouter Johann

      Hallo Andreas,

      danke für den interessanten und ausführlichen Beitrag! So etwas Ähnliches habe ich schon vermutet, aber gut, dass du es so präzise auf den Punkt bringst.

      Der Kleber ist vermutlich auch der Grund, warum selbst Fadenheftungen von On-Demand-Printanbietern auch nicht so aufklappfreudig sind, oder, keine so gute „Lay-Flat-Eigenschaft“ haben, wie gleichartige Bindungen von anderen Anbietern.

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