Heute habe ich eine E-Mail erhalten, die ich (mit Erlaubnis der anonymen Schreiberin/des Schreibers) gerne öffentlich beantworte (und die ich vom Text her noch etwas angereichert habe). Vielleicht hast du ja ganz ähnliche Fragen!
Meine Antworten findest du stets in dieser Form.
Und hier jetzt der Text der E-Mail:
Lieber Herr Hanke (lieber Johann), ich bin seit geraumer Weile als Autorin/Autor tätig. Mir macht die Arbeit mit Texten großen Spaß und ich schreibe schon lange für unterschiedliche Medien.
Ich habe auch Erfahrungen als Lektorin/Lektor und weiß daher, was guten Satz ausmacht und worauf es ankommt. Mir macht die Arbeit mit Büchern einen Riesenspaß.
Wunderbar, das sind die allerbesten Voraussetzungen! Auch bei mir ist es die Begeisterung, die mich jeden Tag antreibt.
Ich habe mir überlegt, ein bißchen in das Thema Buchsatz hineinzuschnuppern.
Inhalt
- 1 Soll ich mir InDesign schnappen und einige Manuskripte zur Probe setzen …
- 2 … und dann auf gut Glück an einen Verlag herantreten?
- 3 Oder was kann ich sonst tun?
- 4 Ich möchte mich anfangs an einem Roman o. ä. versuchen.
- 5 Ich verfüge über keinerlei Erfahrung im Designbereich, das ist ein Stück Neuland für mich
- 6 Ich habe ein ungutes Gefühl, dem Verlag als Nicht-Profi meine Dienstleistung anzubieten und dann ggf. etwas Schlechtes abzuliefern
- 7 Vielleicht ist es nicht so schlimm, weil Satzerstellung gar nicht so kompliziert ist
- 8 Benötige ich sonst noch irgendwelche Software?
Soll ich mir InDesign schnappen und einige Manuskripte zur Probe setzen …
Unbedingt. Wenn du InDesign als Satzprogramm hast, rate ich dir dringend zu! Das ist einfach die führende Satzsoftware. (Aber auch andere Programme erfüllen ihren Zweck, das hervorragende QuarkXPress, PagePlus, bald sicher der Affinity Publisher und ja, Microsoft Word als Geheimtipp, damit werden mehr Bücher gesetzt als manche vielleicht denkt, vor allem auch von größeren Verlagen.)
Hinweis: Ich werde oft wegen meiner hervorragenden Wordkenntnisse angefragt. (Und versuche dann gelegentlich, meine Kundinnen zu überzeugen, doch ein „richtiges“ Satzprogramm zu nehmen. Aber manchmal ist Word doch besser geeignet für den jeweiligen Zweck, beispielsweise bei Fachliteratur.)
… und dann auf gut Glück an einen Verlag herantreten?
Warum nicht, einfach probieren! Verlage haben allerdings, das ist meine Erfahrung, oft vergleichsweise niedrige Sätze und sind interessiert, sich einen Pool von Setzern zu halten, die für wenig Geld layouten. Ja, die suchen durchaus.
Bei einigen nimmt man an Ausschreibungen teil, damit die für ihr spezielles Projekt die günstigste Setzerin finden. Es kommt auch immer auf die Ausrichtung und Größe des Verlags an.
Ich persönlich arbeite seit Jahrzehnten sehr gerne mit Verlagen zusammen, mit kleinen und großen. Ausschreibungen mag ich weniger und ich nehme da nicht teil. Zu häufig benötigen die Auftraggeberinnen nur ein paar „Alibi-Angebote“, haben trotzdem ihre eigenen Setzerinnen …
Oder was kann ich sonst tun?
Satzprojekte im Freundes- oder Bekanntenkreis? Die Vereinszeitung, das Kirchenblatt? Hilfe für Selfpublisherinnen und Selfpublisher, am Anfang vielleicht zu besonders attraktiven Konditionen?
Auch ich habe immer dann vergleichsweise niedrige Sätze akzeptiert (oder sogar umsonst gearbeitet), wenn ich mich auf einem bestimmten Gebiet noch nicht sicher gefühlt hatte. Oder wenn ich mich auf diesem Feld unbedingt beweisen wollte. Das war für mich Learning by Doing. Hat geklappt. Bringt Erfahrung. Und die ist unbezahlbar!
Mache dich online bekannt! Zeige ein paar Referenzen. Sei aktiv im Netz (ohne zu aufdringlich zu werben).
Ich möchte mich anfangs an einem Roman o. ä. versuchen.
Warum nicht? Der Aufwand ist überschaubar und hier kommt es auf ganz andere Dinge an als bei Fachbüchern, und zwar auf
- registerhaltigen Satz (alle Zeilen auf einer gemeinsamen Grundlinie)
- die passende Schriftart, die sich nicht in den Vordergrund drängt (Minion, Garamond, Bembo)
- ausgeglichene Spalten (gleiche Höhe)
- evtl. nett gestaltete Kapiteleinstiege
- eine gute Silbentrennung (QuarkXPress und InDesign ab CC2018, alles andere kannst du vergessen)
- und die Beachtung der Bindung (Innensteg nicht zu klein lassen)
Ich verfüge über keinerlei Erfahrung im Designbereich, das ist ein Stück Neuland für mich
Aber du bringst die nötige Begeisterung mit! Und du liebst Bücher!
Meine Lieblingsautorinnen sind Claudia Korthaus und Markus Wäger … kaufen und lesen! Beide schreiben für den Rheinwerk-Verlag. Markus hat gerade ein tolles InDesign-Buch verfasst. Claudia Korthaus versteht es wie keine zweite, dir die Grundlagen und Gesetze guten Designs beizubringen.
Meine Offenbarung aber war Robin Williams‘ „The Non-Designer’s Design Book“, was auch in einer älteren, gar nicht schlechten dt. Übersetzung existiert namens: „Design & Typografie – Der Klassiker erweitert mit neuen Workshops: Die überraschend einfachen Gesetze guten Designs“. (Da ist sogar noch ihr Nachfolgeband enthalten.)
Nach dem Lesen kann man einfach nicht mehr schlecht gestalten. 🙂
Diese Bücher haben mir zwar sehr geholfen, aber nur im Zusammenspiel mit langjähriger Erfahrung, die man nur durch verschiedene unterschiedliche Projekte gewinnt. Und den Austausch mit Gleichgesinnten!
Also: einfach machen! Los …
Ich habe ein ungutes Gefühl, dem Verlag als Nicht-Profi meine Dienstleistung anzubieten und dann ggf. etwas Schlechtes abzuliefern
Das Gefühl bitte nicht zulassen! Du weißt schon mehr, als du denkst! Auch ich habe mich immer wieder mit Freude an die nächste Herausforderung gewagt. Wenn ich überlege, wie viel Angst ich noch vor zehn Jahren vor InDesign, Rastersatz und Fotobüchern hatte und wie leicht mir das jetzt fällt … also einfach machen, Probleme erleben und diese dann lösen.
Aprops Schlechtes: Es gibt da so ein Typografie-Forum, wo man (als Förderer sogar in einem geschützten Hinterzimmer) seine Arbeiten zur Begutachtung zeigen kann.
Vielleicht ist es nicht so schlimm, weil Satzerstellung gar nicht so kompliziert ist
Genau, es gibt ein paar Gesetze, oft ungeschrieben … und dann Erfahrung. (Wie man die Tücken der vermaledeiten Satzprogramme umschifft, und da ist auch InDesign gemeint.) Und es ist gar nicht so kompliziert! Außerdem findest du inzwischen überall viele Hilfestellungen.
Du weißt nicht, wie du ein Cover mit InDesign gestaltest? YouTube ist dein Freund.
Ich selber habe auch viel durch Plattformen wie Lynda.com oder Udemy gelernt.
Auch hier wieder ein Tipp: Daniel Walter Scott ist einer meiner Lieblings-Instruktoren für Onlinekurse, ein begnadeter Designer und absolut hervorragender Lehrer!
Benötige ich sonst noch irgendwelche Software?
Am Anfang kommst du bestimmt allein mit InDesign (oder der von dir verwendeten Satzsoftware) klar. Es muss sogar nicht einmal die neuste Version sein, ich für meinen Teil bin der der Creative Suite CS6 treu geblieben.
Irgendwann merkst du sicher, dass man auch eine Bildbearbeitung benötigt (ich habe ganz viele und PhotoShop ist nicht unbedingt mein Favorit). Ich schwöre auf die kleinen, feinen Programme, eins davon nutze ich seit über 20 Jahren!
Und wenn’s mehr sein soll, fängst du irgenwann an, die angelieferten Vektorgrafiken deiner Kundinnen in Illustrator (oder Affinity Designer) nachzubearbeiten. Insofern: derartige Kenntnisse sind nicht verkehrt!
Ein Programm jedoch hatte ich von Anfang an im Einsatz, schon zu den Zeiten, als es noch kein InDesign gab, dafür PageMaker: Adobe Acrobat, später Adobe Acrobat Pro. Das halte ich für unverzichtbar für die Nachbearbeitung und Prüfung von PDF-Dateien, aber auch zum Schreiben von Satzdateien aus Word heraus. Es sollte aber wirklich die Pro-Version sein. (Ersatzprogramme kannst du mehr oder weniger vergessen!)
Tipp: Mit ein wenig Glück bekommt man eine ältere Pro-Version zum vergleichsweise günstigen Preis. Auf jeden Fall gibt es auch bei der neusten Fassung von Acrobat Pro zumindest noch die Möglichkeit des Kaufs (statt der Miete).
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