Seit mehr als einem Jahrzehnt schleiche ich schon um Scribus herum wie die Katze um den heißen Brei.

Scribus ist ein frei verfügbares Open-Source-Satzprogramm für Windows, Mac-OS und Linux. Ich habe es unter Windows 7 getestet.

Kann man dieses Programm für den attraktiven Buchsatz verwenden? Meine ersten Tests von vor mehr als zehn Jahren verliefen wenig erfolgreich: Ich fand Scribus (unter Windows) zu kompliziert und schon bei kurzen, einseitigen Dokumenten zu instabil.

Scribus entwickelt sich weiter

Doch zehn Jahre sind eine lange Zeit. Und auch ich bin in der Zwischenzeit ein erfahrener und mit allen Wassern gewaschener Setzer geworden, der sich neben InDesign mit vielen anderen „exotischen“ Satzprogrammen beschäftigt hat.

Seit vielen Monaten teste ich daher Scribus mit dem Ziel, einen Kurs für Romanautoren und Selfpublisher auf Udemy zu verfassen. Ein attraktives, leicht bedienbares kostenfreies Satzprogramm wäre doch ein Traum, oder?

Meine „Roadmap“:

  • Bedienung erkunden,
  • Probesatz einiger Romane durchführen,
  • Freundschaft schließen,
  • tollen Kurs entwickeln.

Ob ich erfolgreich war?

Version 1.5.3 endlich mit Open-Type-Unterstützung

Seit Version 1.5.3 (Mai 2017) unterstützt Scribus endlich die fortgeschrittenen Features von Open-Type-Fonts wie

  • verbessertes Kerning,
  • Ligaturen,
  • Mediävalziffern oder
  • Schriftalternativen.

Mit anderen Worten: Wer ernsthaft setzt, sollte erst mit dieser Version einsteigen.

Für mich war das die Motiviation, meine Tests wieder aufzunehmen und zu intensivieren. Frühere Versionen kamen nicht mehr infrage.

Ich habe sogar, gleich nach Erscheinen der ersten Beta von 1.5.3, die ersten Videos aufgezeichnet! So begeistert war ich.

Zum Vergleich: Word unterstützt die erweiterten Möglichkeiten von OpenType-Fonts schon seit vielen Jahren, seit Version 2010, um genau zu sein. Auch LibreOffice hat längst nachgezogen!

Scribus 1.5.3 stabiler als 1.4.6

Leider gehört Scribus 1.5.3 noch nicht zum „stabilen Zweig“, sondern ist erst im „Development Branch“ erhältlich. Das merkt man auch, das Programm läuft nicht stabil, sondern friert oft für mehrere Sekunden ein oder stürzt sogar ab. Der gefühlte Stabilitätsindex liegt bei 3 von 10 Punkten.

Trotzdem läuft das neue Scribus meiner Meinung nach stabiler als die Vorgängerversion.

Ich wollte es wissen: Macht es das angeblich „stabile“ Scribus 1.4.6 wirklich besser? Nein! Das alte Scribus stürzte bei meinen Tests schon beim Import eines Romans (Format: OpenOffice) komplett ab und war damit absolut unbrauchbar!

Zum Vergleich: Word 2010 (nicht 2016!) erhält von mir 9 von 10, InDesign 8 von 10 und PagePlus ebenfalls 8 von 10 „Stabilitätspunkten“. Jawohl, das viel gescholtene Word ist auf meiner Festplatte Stabilitätsweltmeister, selbst bei langen Dokumenten mit hunderten von Abbildungen!

Die Installation

Die Installation von Scribus geht schnell und problemlos vonstatten, ich habe sowohl die 32- als auch die 64-Bit-Version unter Windows getestet. Beide Versionen sind gleich schnell bzw. gleich langsam.

Und das ist auch schon mein größter Kritikpunkt: Das Scrollen durch die Doppelseiten bei einem hundertseitigen Buch gestaltet sich zäh und endlos langsam.

Wenn man 30 Sekunden oder mehr benötigt, um vom Anfang des Romans bis zum Ende zu scrollen, weil das Programm bei jedem Scrollvergang sekundenlang einfriert, kann von ernsthaftem Arbeiten keine Rede sein!

Neues Dokument anlegen

Die Bedienung dagegen ist durchaus eingängig und intuitiv, wenn man das Konzept erst einmal verstanden hat. Der Einrichtungsdialog für ein neues Dokument (Strg+N) enthält alle Features, die man von Satzprogrammen kennt:

  • Format und Ausrichtung
  • Wahl, ob Einzel- oder Doppelseiten
  • Zahl der Seiten
  • Einstellung der Ränder
  • Einstellung des Anschnitts, falls nötig.

Selbst automatische Textrahmen gibt es in Scribus, ein in InDesign CS6 eingeführtes Feature.

Die Bedienpaletten

Die Übersicht über seine Seiten bekommst du mit der Seitenpalette, die du über F10 aufrufen kannst. Die Eigenschaften der Rahmen und Grafikobjekte steuerst du über F2 und rufst damit das Eigenschaften-Akkordion auf. Egal ob Schlagschatten, Farben oder Transparenz: Hier steht dir die Überfülle an Möglichkeiten zur Verfügung.

Wer nur an den Texteigenschaften interessiert ist, drückt F3 und mit F6 zauberst du den Ebenen-Dialog hervor.

Stilverwaltung und Masterseiten

Besonders gut gefällt mir die neue Stilverwaltung, die ab sofort über F4 erreichbar ist. Hier steuerst du Absatz- und Zeichenstile, hast aber auch Tabellen und Linien im Griff.

Stilverwaltung-von-Scribus

Die Stilverwaltung von Scribus bringt Text, Tabellen und Linien professionell in Form

Selbstverständlich kennt Scribus das Konzept der Masterseiten und eignet sich für registerhaltigen Satz.

Beim registerhaltigen Satz stehen alle Zeilen auf einer gemeinsamen Grundlinie.

Zum Vergleich: Word kennt keinen registerhaltigen Satz, hier geht es nur mit einem Trick.

Grundlinienraster

Das Grundlinienraster justierst du in den Dokumenteigenschaften (Datei/Dokument einrichten). Die Raster- und Hilfslinien machst du im Menü Ansicht sichtbar. Der Vorschaumodus (ohne Raster- und Hilfslinien) wird über Strg+Umschalt+P aktiviert.

Importieren von Texten

Der Import von Texten, beispielsweise in den Formaten OpenOffice oder Word, gelingt problemlos (Strg+i oder Text laden im Datei-Menü). Dank automatischem Textrahmen fließt der Text wunderbar in die Seiten ein. Fehlende Seiten lassen sich über das Menü Seite hinzufügen, Übersatz erkennt man an einem roten Kasten in der rechten unteren Ecke.

Fazit

Von der minimalen Oberfläche her gefällt mir das neue Scribus 1.5.3 ausgesprochen gut, die Bedienelemente reagieren schnell, liegen auf sinnvollen Tastenkombinationen und bieten alle Möglichkeiten, die man als fortgeschrittener Romansetzer benötigt. Das zähe bis unmögliche Scrollen durch längere Dokumente macht die Arbeiten jedoch zur unerträglichen Qual, die häufigen Abstürze tun ein übriges.

Scribus mag ein Superprogramm sein für Flyer und kurze Dokumente. Das Programm ist jedoch nur sehr bedingt bis gar nicht für den Satz von Büchern geeignet. Diese Erkenntnis ist für mich sehr bitter!

So wird es auf absehbare Zeit wohl keinen Kurs von mir zum Buchsatz mit Scribus geben!

 

Nachtrag:

Als Alternative empfehle ich PagePlus, das kostet derzeit so gut wie nichts, spielt aber in einer ganz anderen Liga. Ich finde PagePlus hervorragend. Zu Page Plus gibt es von mir einen erfolgreichen Kurs.