Dokumente wie diese sind der Albtraum eines jeden Typografen. Zum Glück landen derartige Texte nur selten auf meinen Schreibtisch. (Deshalb habe ich den oben abgebildeten Text auch konstruiert.) Hier füge ich die Abbildung noch einmal ein, damit du sie in voller Größe sehen kannst. Rechtsklicke am besten auf die Abbildung und wähle „In neuem Fenster öffnen“:
Hier ist schiefgelaufen, was schieflaufen kann. Findest du alle Buchlayout-Satzfehler?
Inhalt
Typografische Todsünden
Ist es der Blocksatz ohne Silbentrennung? Die völlig entgleiste Überschrift? Oder der falsche bzw. inkonsistente Gebrauch von Apostroph, Anführungszeichen, Strecken- und Gedankenstrich? Das vergessene Leerzeichen nach Satzzeichen? Das fehlende Kerning. Sperrschrift? Das alles sind für mich typografische Todsünden!
Auch die falsche Schreibung von heiß fällt mir sofort auf. Diese Schreibung wäre nur in der Schweiz korrekt. Und im Wort Wiesental ist offenbar ein als Trennzeichen missbrauchter Bindestrich übrig geblieben.
Die Überschrift
An der Überschrift stören mich gleich drei Dinge:
- die Unterstreichung,
- der Blocksatz
- und der falsche Apostroph.
Unterstreichungen haben in Belletristik kaum was zu suchen, schon gar nicht in der Überschrift! Auch ist Blocksatz die falsche Umbruchvariante für Überschriften. Setzen Sie diese linksbündig.
Der Apostroph – den du an dieser Stelle auch hättest weggelassen können – muss natürlich durch sein typografisch korrektes Pendant ersetzt werden – es hat die Form einer hochgestellten 9.
Schreibe also „Anja’s Lehr- und Wanderzeit“ oder besser noch „Anjas Lehr- und Wanderzeit“.
Kein Blocksatz ohne gute Silbentrennung
Wenn Blocksatz (= Textausrichtung bündig am linken und rechten Rand), dann bitte nur mit guter Silbentrennung. Sonst entstehen hässliche Lücken wie im Beispiel. Bei besonders hochwertigen Druckerzeugnissen verlasse ich mich nie allein auf die Automatik. Ich trenne zusätzlich oft von Hand.
Verwende aber nur den sogenannten bedingten Trennstrich!
Den bedingten Trennstrich setzt du in Word mit Strg + – und in InDesign mit Strg+Umschalt+-
Sonst passiert so etwas wie im Wort Wiesen-tal. Dort wurde ein Bindestrich als Trennstrich missbraucht. Sobald sich der Umbruch verschiebt, bleibt dieser Bindestrich übrig.
Dieses Problem tritt leider oft in angelieferten Manuskripten auf!
Arbeite mit den typografisch korrekten Zeichen
"Gerade Anführungszeichen", egal ob 'einfache' oder "doppelte",
haben ihre Berechtigung in Computerquelltexten, aber nicht in Belletristik. Arbeite mit den beiden gebräuchlichen Typen, den „deutschen Anführungszeichen“ oder den eleganten »französischen«.
Ich bevorzuge in den von mir gesetzten Titeln generell die französischen und biete sie auch allen meinen Kunden an.
Word kennt die französischen Anführungszeichen leider nicht von Hause aus, im Gegensatz zu TextMaker, Papyrus oder dem Writer aus LibreOffice.
Nach jedes Satzzeichen gehört ein Leerzeichen
Manch einer hat es noch nicht begriffen, aber nach jedem Satzzeichen wie Punkt oder Komma muss tatsächlich ein Leerzeichen gesetzt werden! Ich bin mir allerdings sicher, dass du diesen Fehler nicht gemacht hättest!
Ähnlich falsch wäre es, vor Satzzeichen ein Leerzeichen zu setzen. Auch das kommt leider gelegentlich vor, beispielsweise um Ausrufezeichen mehr Gewicht zu verleihen. Es ist aber trotzdem falsch.
Auch das Setzen mehrfacher Satzzeichen ist übrigens eine typografische Todsünde und ich würde so etwas natürlich nie machen !!! 😉
Falscher Gebrauch des Bindestrichs
Hast du die Stellen gefunden, an denen der Bindestrich falsch eingesetzt wird? Ja, es sind zwei! So gehört zwischen Juni und September der Streckenstrich (–), nicht der Bindestrich (-). Er ist etwas länger und wird auch als Bis-Strich bezeichnet. Es geht um eine Zeitspanne „von–bis“.
Der Streckenstrich entspricht von der Länge her dem Gedankenstrich. In Word fügen Sie ihn beispieslweise ein mit Strg + – (auf der numerischen Tastatur).
Ich setze aus optischen Gründen vor und nach diesem Streckenstrich noch ein Mikro-Leerzeichen.
Sicher ist dir jedoch der falsche Gebrauch des Bindestrichs als Gedankenstrich aufgefallen. Das ist leider ein häufiges Problem. Du kannst es jedoch durch die Suchen-Ersetzen-Funktion deiner Textverarbeitung ausbügeln!
Bei der Gelegenheit kannst du auch die gesperrte Zeichenfolge „sehr heiss“ (und die Schreibung des Wortes selbst) korrigieren. Sperrschrift findet man bestenfalls in sehr alten Druckerzeugnissen, heute wird diese Technik praktisch nicht mehr eingesetzt.
Fehlende Unterschneidung
Hättest du bemerkt, dass die Unterschneidung nicht eingeschaltet ist? Du erkennst das besonders in der Überschrift, der Abstand zwischen „W“ und „a“ ist viel zu groß. Aber auch bei „Vom“ oder „Wo“ kannst du das sehen.
So wurde in Bleisatzzeiten gesetzt, als jeder Buchstabe seine eigene Drucktype besaß. Damals konnten „V“ und „o“ eben nur dann dichter aneinanderrutschen, wenn die Setzer von beiden Schriftkegeln etwas abgeschnitten hatten – dann rutschten beide Buchstaben enger aneinander und das Druckbild sah harmonischer aus. Das wurde häufig bei Überschriften gemacht, selten jedoch im Fließtext. Schließlich war dieses „Unterschneiden“ aufwendige Handarbeit.
Bei hochwertigen Computerschriften ist diese Unterschneidung in aller Regel von Hause aus eingebaut, bestimmte Buchstaben „kuscheln“ sich einfach enger aneinander, so rutscht das „a“ im Beispiel dichter an das „W“ und das „o“ mehr unter das „V“. Das Schriftbild wirkt insgesamt harmonischer.
In Word ist diese Unterschneidung von Hause aus leider abgeschaltet. Das wissen viele Hobbysetzer nicht und produzieren deshalb bis heute typografisch mangelhafte Bücher!
Gehen in den Schrift-Dialog und schalte die Unterschneidung im Register Erweitert ein!
Ganz ehrlich: Hättest du diesen Satzfehler auch gefunden?
Kein registerhaltiger Satz
Zum Schluss noch ein kleiner Schönheitsfehler, der dir vermutlich gar nicht aufgefallen ist. Dieses Buch ist mit Sicherheit nicht registerhaltig gesetzt. Woran ich das erkenne? Am Abstand zwischen den Absätzen, der ist einfach zu gering!
Beim registerhaltigen Satz stehen alle Zeilen auf einer gemeinsamen Grundlinie. Wenn man das Papier gegen das Licht hält, stören die Druckzeilen auf der gegenüberliegenden Seite nicht. Schließlich liegen alle Zeilen auf der gleichen Höhe!
Registerhaltiger Satz ist in Programmen wie Word von Hause aus nicht vorgesehen, ganz im Gegensatz zu InDesign, QuarkXPress oder auch LibreOffice!
Und wie kennzeichnet man neue Absätze beim registerhaltigen Satz? Ganz einfach: Der neue Absatz wird leicht eingezogen. Oder man fügt eine ganze Leerzeile ein. Eine ganze, keine halbe!
Antonia
Hallo Johann
danke für Deine Tipps! Was sagst Du denn zur Darstellung von Dialogen.
„Gefällt es Dir eher so.“
„Ich meine, Abstand und neuer Absatz, wenn Sprecherin wechselt.“
„Oder ist es besser so, wie ich es aus meiner Kindheit in Erinnerung habe.“ – „Nämlich getrennt durch Gedankenstrich.“ – „Nicht Bindestrich, sondern Gedankenstrich!“
Was ist besser? Vielen Dank!