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Alternative zu InDesign und QuarkXPress? Die Beta von Affinity Publisher ist da!

Programmfenster von Affinity Publisher: Satz eines Romans mit Masterseiten und Grundlinienraster

Programmfenster von Affinity Publisher: Satz eines Romans mit Masterseiten und Grundlinienraster

Endlich ist er da: der Publisher! Gestern, am 30. August 2018, erschien die Betaversion von Affinity Publisher, dem lange erwarteten dritten Puzzlestein in der Affinity-Programmsuite. Auch ich habe lange auf den Publisher gewartet, in der Hoffnung, eine ernstzunehmende Alternative zu Satzprogrammen wie InDesign oder QuarkXPress zu erhalten.

Immer beliebter: die Affinity-Suite

Affinity Photo und Designer (Bildbearbeitung und Vektorgrafik) erfreuen sich schon lange wachsender Beliebtheit und mausern sich immer mehr zu Alternativen für Adobe PhotoShop und Adobe Illustrator. Beide Programme gibt es inzwischen auch für das iPad bei erstaunlichem Funktionsumfang zu einem fast lachhaften Preis.

Jetzt ist das Programmpaket endlich komplett! Affinity Publisher wendet sich an Layouter von Faltblättern, Broschüren, Büchern und Zeitschriften und wird sicher auch für das elektronische Publizieren genutzt werden.

Ich für meinen Teil arbeite inzwischen lieber mit Photo und Designer als mit Photoshop und Illustrator. Nur InDesign mag ich zu sehr, um es vorschnell aufzugeben. (Und ich habe mir zu viele kostspielige Erweiterungen gekauft.)

Wird Affinity Publisher der neue InDesign-Killer? Noch kann man diese Frage nicht abschließend beantworten, das Programm liegt erst im Betastadium vor und ist noch nicht komplett.

Schon jetzt wirkt das Programm mit seinen typografischen Möglichkeiten und der eingängigen Bedienung so, als ob es in Zukunft sehr interessant werden könnte für Romanautoren, die ihre Titel selber setzen wollen. Mir persönlich reicht der Funktionsumfang allerdings noch nicht aus. Es fehlen einfach zu viele Funktionen!

Erster Blick auf das Programmfenster

Im oberen Bild wirfst du einen ersten Blick auf das Programmfenster. Folgende Elemente hebe ich hervor:

  1. Masterseitenbereich
  2. Seitenbereich
  3. Formatvorlagen (Text Styles)
  4. Einstellmöglichkeiten für Grundlinienraster und Einrastfunkton
  5. Hand-Cursor zum Bewegen des Blattes

Sowohl für Windows als auch Mac

Die größte Überraschung: Die Beta von Affinity Publisher wurde zeitgleich für Windows und Mac veröffentlicht, das war bei Affinity Photo und Designer noch nicht der Fall. Das beweist, wie wichtig der Firma beide Plattformen geworden sind. (Bei den vorherigen Programmen erschien die Windowsversion erst lange nach der Macversion.)

Und dabei hatte ich mir extra einen neuen Mac gekauft, um die Beta von Affinity Publisher testen zu können.

Langer Reifeprozess

Eine weitere Überraschung: Die Versionsnummer lautet 1.7.0.75. Das zeugt von einem langen Reifeprozess. Und das merkt man auch, zumindest bei der Performance. Das Programm startet zügig und reagiert erstaunlich flüssig. Abstürze oder Fehler sind mir bei meinen ersten Tests unter Windows nicht aufgefallen.

Das lange Warten auf den Publisher scheint sich gelohnt zu haben. Die Beta-Version wirkt weit weniger „beta“ als befürchtet. Zumindest von der Bedienung her, nicht vom Funktionsumfang. Der lässt zu wünschen übrig.

Ich habe mir für diesen Beitrag die Windows-Version der Beta angesehen!

Übersichtliche Oberfläche und einfache Bedienung

Als langjähriger Nutzer von PageMaker, InDesign und QuarkXPress musste ich auf bittere Art lernen, dass Satzprogramme schwierig zu bedienende Boliden sind. Erst nach monate- bzw. jahrelanger Praxis hat man alle wichtigen Tastenkombinationen und Techniken drauf, viele Funktionen sind versteckt und die Bedienung ist nicht immer logisch.

Der Umstieg von einem Programm zum anderen? Alles andere als ein Kinderspiel. Die Lernkurve für die bekannten Programme empfinde ich als extrem steil.

Was habe ich für Kurse belegt und Bücher gelesen, um InDesign und Quark zu lernen! Nur durch viel Übung und noch mehr Praxis kenne ich mich in InDesign inzwischen so gut aus wie heute. (In Quark kämpfe ich noch.)

Ganz anders zeigt sich der erste Eindruck beim Publisher: Alle wichtigen Funktionen sind auf einen Blick sichtbar. Sie liegen auf eingängigen Schaltflächen am oberen Rand des Bildschirms:

  • Document Setup (Einrichtung des Dokuments)
  • Spread Setup (Vorgaben für die Doppelseite)
  • Preferences (Voreinstellungen)

Ohne Umwege zum Grundlinienraster

Und die Einstellungen für das für den Buchsatz so wichtige Grundlinienraster? Sind in Publisher zwei sofort sichtbare Schaltflächen (Nummer 4 im oberen Bild):

  • Enable Baseline Grid
  • Show Baseline Grid Manager

Warum ich das hier erwähne? Weil man diese so wichtigen Funktionen in den Konkurrenzprogrammen InDesign und QuarkXPress tief in irgendwelcher Untermenüs suchen muss!

Auch das praktische „magnetische Einschnappen“ von Elementen am Raster, an Hilfslinien und aneinander lässt sich bequem per Schaltfläche justieren. Man muss es nur einschalten!

Ich gebe allerdings zu bedenken, dass mir vermutlich mein Transferwissen hilft und dass nicht jeder Einsteiger sofort so gut mit einem so leistungsfähigen Satzprogramm wie Publisher klarkommt wie ich. Ich weiß, welche Funktionen ich in einem Satzprogramm erwarte und wo genau ich sie zu suchen habe.

Fakt ist jedoch: Beim Lernen von QuarkXPress (Ich habe Quark lange nach InDesign gelernt) half mir dieses Transferwissen kaum, zu kompliziert fand ich die Oberfläche. Beim Publisher dagegen finde ich mich sofort zurecht!

Masterseiten und Formatvorlagen

Links finde ich die Masterseiten- und Seitenpalette (1 und 2), rechts die unverzichtbaren Formatvorlagen, die Text Styles (3). Das sind meine drei wichtigsten Werkzeuge bei jedem Satzprogramm.

Gut gefällt mir, dass ich die Masterseiten frei benennen kann, nicht so gut finde ich, dass ich nicht auf einen Blick erkenne, welchen Master ich welcher Doppelseite zugewiesen habe. Eine Funktion, die hoffentlich in der endgültigen Ausgabe nachgerüstet werden wird. (Eine Anfrage von mir im Forum wurde schon gestartet. Die Funktion gibt es tatsächlich noch nicht.)

Weiterhin fehlen mir Tastentricks für das Springen zu bestimmten Seiten. Auch den Wunsch habe ich schon angemeldet. (Antwort: Man kann sich diesen Trick selber bauen.)

Was mich dagegen begeistert: Die wunderbare Oberfläche, bei der man einzelne Dokumentfenster aus dem Hauptfenster herausziehen und separat als Vollbild darstellen kann. Ideal für die Arbeit mit mehreren Monitoren.

Hier kann sich QuarkXPress für Windows (nicht für Mac!) selbst in der aktuellen Version 2018 eine ganz dicke Scheibe abschneiden. Deren Fenstermanagement erinnert eher an die Computersteinzeit.

Ausgefeilte typografische Funktionen

Als Buchlayouter schaue ich immer zuerst auf die Dinge, die mich besonders interessieren, das sind

  1. Unterstützung von OpenType-Features wie Ligaturen (Buchstabenpaare wie fi oder st auf einer Drucktype), Mediävalziffern (Ziffern mit Unterlängen) oder stilistischen Alternativen (Schwungbuchstaben). Jawohl, alles das kann das Programm!
  2. Vermeidung von Waisen und Witwen. Logisch. Du kannst sogar einzeln steuern, ob du nur Witwen oder auch Witwen und Waisen vermeiden willst. (Hinweis: Im Romansatz vermeidet man in aller Regel Witwen, also einzeln stehende Zeilen am Seitenanfang. Waisen dagegen werden toleriert. Gucke mal in einen beliebigen Roman in deinem Bücherschrank!)
  3. Initialbuchstaben (Drop Caps). Klar gehen auch die.
  4. Silbentrennung. Hier erwarte und bekomme ich nichts Großes, die Silbentrennung von QuarkXPress (und die von InDesign, aber erst, nachdem ich mir ein teures Plugin gekauft habe) ist wahrscheinlich nicht zu toppen.

Alle genannten Features justierst du über die entsprechenden Eigenschaften in den Absatzformatvorlagen. Selbst so ausgefallene Funktionen wie Anfangsworte (Initial Words) sind möglich, um beispielsweise die ersten 3 Worte jedes Kapitels in Kapitälchen (kleine Großbuchstaben) zu setzen.

Überhaupt finde ich die Unterteilung des Formatvorlagendialogs in Zeichen, Typografie und Absatz übersichtlich und vorbildlich.

Absatzschattierungen

Besonders gefreut habe ich mich darüber, dass man den Absatzvorlagen  Absatzschattierungen und Umrandungen zuweisen kann. Was in Word und Co. schon immer gang und gäbe war, also Rahmeneffekte als Teil von Absatzvorlagen, wurde in Satzprogrammen wie InDesign und QuarkXPress gerade erst in den letzten Jahren nachgerüstet. (Ich nutze in meinem InDesign CS6 dafür noch ein Plugin.)

In Publisher jedoch gibt es dieses Feature von Anfang an und das macht das Programm auch für Setzer von Sachbüchern interessant.

Import aus Word nur über Umwege

Leider bisher nicht erhältlich: Der Import aus Word. Das fehlt tatsächlich. Als Ersatz wird das Nur-Text-Format und RTF angeboten. Das ist ziemlich mager, bot doch schon der Vorgänger vom Publisher, Serifs PagePlus, eine sehr gute Word-Importfunktion.

Als Workaround kann man den Text in Word markieren und über die Zwischenablage in den Publisher übertragen. Das funktioniert erstaunlich gut, denn dabei bleiben viele Formatvorlagen erhalten und können weitergenutzt werden.

Aber auch hier wird die Firma in den nächsten Monaten nachrüsten müssen, da Import und Handling der Formatvorlagen meines Erachtens noch Fragen aufwerfen.

So wird der gesamte mit der Formatvorlage „Standard“ formatierte Fließtext nach dem Übertragen als formatiert mit „No Style“ angesprochen und lässt sich nachher leider nicht problemlos irgendeiner Formatvorlage zuordnen. Das ist sicher ebenfalls noch eine Fehlfunktion.

Die Firma Serif betont selber, dass der Publisher noch kein fertiges Produkt, sondern eine Betaversion ist und nicht für den produktiven Einsatz genutzt werden sollte.

Was fehlt bisher noch?

Kein Word-Import, Probleme mit den Formatvorlagen, gibt es noch mehr Baustellen? Ja, eine ganz große bei den Abbildungen!

Bilder lassen sich derzeit nur direkt auf der Seite platzieren. Es ist nicht möglich, sie gezielt in Absätze einzufügen oder an Absätzen zu verankern und so mit dem Text mitfließen zu lassen. Das ist ein großes Manko und hat mich sehr verwundert, denn Derartiges beherrscht das Vorgängerprogramm PagePlus im Schlaf. Mitfließende Objekte gehören zum Satz von Büchern einfach dazu.

Viele Nutzer wünschen sich auch einen Import von Dateien aus dem Vorgängerprogramm PagePlus oder gar aus InDesign.

Weiterhin fehlt der Export in E-Book-Formate. Wie soll die Autorin, der Autor auf diese Weise ein E-Book generieren?

Ebenfalls noch nicht fertig: Die Integration der drei Programme zu einer Programmsuite. So findest du am linken oberen Bildschirmrand zwar drei Symbole:

  • Layout Persona
  • Vector Persona
  • Photo Persona

Die zeigen jedoch lediglich, wo es in Zukunft einmal hingehen soll. Die derzeitige Meldung lautet jedoch: „A compatible version of Designer“ bzw. „A compatible version of Photo is required“.

Mit anderen Worten: Dafür müssen die entsprechenden Programme Designer und Photo erst aktualisiert werden.

Die Betaversion von Affinity Publisher ist vielversprechend, wirkt aber noch ziemlich unvollständig!

Optischer Randausgleich kann mehr als in InDesign

Aufgefallen ist mir, dass der optische Randausgleich, also das gezielte Herausziehen von Anführungszeichen oder Trennstrichen über den Satzspiegel hinaus, mehr kann als der von InDesign. Ich nutze den optischen Randausgleich gerne, um einen schöneren Satzspiegel mit exakteren Kanten zu erzeugen.

In InDesign kann man diese Funktion nur ein- oder auschalten. In Publisher stellt man individuell ein, welche Zeichen man um wieviel Prozent ausgerückt sehen möchte. Damit ist das Programm zumindest in diesem Punkt typografisch auf Augenhöhe mit QuarkXPress (und ähnlich gut wie das Vorgängersystem PagePlus).

Fazit:

Affinity präsentiert mit seiner Beta von Affinity Publisher für Windows ein erstaunlich stabiles Satzprogramm, das mit interessanten Typo-Features aufwartet. Die Bedienung finde ich gelungen, das Programm wirkt übersichtlich und intuitiv. Einige wichtige Funktionen fehlen allerdings noch, andere Dinge funktionieren noch nicht so wie gewünscht. Das alles wird hoffentlich in den nächsten Monaten nachgerüstet und berichtigt.

Auf jeden Fall sollte Adobe sein unflexibles Abo-Lizenzmodell überdenken. Ich könnte mir vorstellen, dass Affinity Publisher in Zukunft viele Nutzer zum Umstieg bewegt und die Konkurrenz ordentlich anheizt. Spätestens dann, wenn Affinity Publisher ausgereift und auch auf dem iPad verfügbar ist.

Du möchtest das neue Programm selber testen? Die Beta von Affinty Publisher kannst du dir hier herunterladen.

  1. draftec

    Ein sehr schöner Einblick in das neue Program. Ich habe zuletzt den Buch-Satzkurs für PagePlus gemacht, weil ich mein Buch noch „schöner“ gestalten wollte. Deswegen interessiert mich auch der Nachfolger.

    • Buchlayouter Johann

      Der wird schon noch. Allerdings: Dinge, auf die es mir ankommt (absolut perfekte Silbentrennung), kann sowieso nur QuarkXPress richtig gut von Hause aus und InDesign mit einem teuren Plugin. Das wird der Publisher wohl nicht lernen.

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